In welchem Verhältnis stehen Kritik und Krise?
Im 19. Jahrhundert galten gesellschaftliche Krisen im sozialdemokratischen, anarchistischen und kommunistischen Milieu als Angelpunkte fundamentaler Umwälzungen. Geriet die reibungslose Kapitalverwertung ins Stocken, – so dachte man – würden die Menschen die Verhältnisse als schlechte erkennen und sich umgehend an ihre revolutionäre Abschaffung machen.
Die Phantasie, den taumelnden Kapitalismus freudestrahlend zu Fall zu bringen, hat sich mittlerweile jedoch gründlich erledigt. Spätestens mit dem triumphierenden Nationalsozialismus dämmerte der Linken, daß die Verarmung und Verelendung der Massen nicht ohne weiteres emanzipatorische Gesellschaftskritik hervorbringt. Statt der Gründung des »Vereins freier Menschen« fanden in der Krise gerade die Deutschen als Volksgemeinschaft zueinander, die fortan die Barbarei in die eigene Hand nahm.
Gerhard Stapelfeldt fragt in seinem Vortrag, wie es sich mit der Konstellation von Krise, Kritik und Revolution heute verhält.
Wie triftig Stapelfeldts Überlegungen sind, läßt sich überprüfen am Faktum, daß der Vortrag Anfang des Jahres 2009 gehalten wurde – als die große Krise noch kein Jahr alt war.