Sachgrundlos geländegängig: Subjekt SUV
Manchmal vermögen einzelne, prägnante Merkmale einer Epoche mehr über diese auszusagen als elaborierte, auf Abstraktion gegründete Gesellschaftskritik.
Klobige Automobile in Lego-Duplo-Ästhetik
Im Besonderen, im Einzelnen zeigt sich das Spezifische der allgemeinen Konstellation krasser und augenfälliger als in der gemittelten Gesamtheit alles Besonderen, welche die redliche Wissenschaft leidenschaftslos erforschen mag. Vielleicht muß man wirklich die ganz abseitigen Phänomene studieren und deuten, um bei aller bleiernen Stagnation der Gegenwart noch kleine aber signifikante Details aufzuspüren, die noch vor Jahren „so nicht möglich“ gewesen, sprich nicht akzeptiert worden wären und derart etwas über den Fortgang der allgemeinen Regression aussagen können.
Triebstau auf der Überholspur
Früher, ein Hingucker für kleine Kinder, sah man auf den Straßen zwischen den normalen Pkws ab und zu mal einen Jeep oder einen Range Rover. Irgendwann fingen diese Geländewagen an, immer größer und dicker, bulliger und klobiger, protziger und schneller zu werden und zunehmend nach Pseudogeländewagen auszusehen. Gefühlte zwanzig Jahre später bevölkern martialische Zivilpanzer aller Automarken die Straßen. Das boomende Marktsegment heißt SUV („Geländelimousinen“), den Proportionen nach sehen sie aus wie Kleinwagen, nur quasi aufgeblasen wie blecherne Kraftsportler, während die Fahrer darin wie Zwerge thronen. Die Käufer dieser interessanterweise fast nur in schwarz nachgefragten rollenden Trutzburgen sind Herrenmenschen und Angeber aller Art, die offenbar gern von oben auf das Verkehrsgeschehen hinabschauen und im Falle eines Unfalls gern andere den kürzeren ziehen lassen.
Das Phänomen SUV als ein Indiz für die Brutalisierung der Öffentlichkeit, die Verbiesterung der Konkurrenzsubjekte:
- Empirisch-kritisch analysieren Ulrich Brandt und Markus Wissen die imperiale Automobilität
- Polemisch dechiffriert Johannes Vincent Knecht die mißlingende Ästhetik der blechernen Monstrositäten
- Psychoanalytisch betrachtet Harald Strauß die jüngsten Ausprägungen des autoritären Charakters
- Spekulativ nähert sich die Redaktion Sachzwang FM der stählernen Physiognomie der Arroganz
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