Globale Krise, unübersehbar: Klima, Krieg, Inflation, Überwachung
Vor zehn Jahren starb Robert Kurz (1943–2012)
Auch von so manchem Kapitalismuskritiker wurde er, Mitbegründer eines neo-marxistischen Theoriezweigs namens Wertkritik, belächelt – angesichts nicht enden wollender Kurz'scher Krisenprognosen, die seit den 90er Jahren publiziert wurden. Daß das Witzeln verstummt ist, liegt sicher nicht nur daran, daß Robert Kurz im Juli 2012 überraschend verstorben ist, sondern wohl vor allem am Zustand einer Welt, die in ihrer marktwirtschaftlich-kapitalistischen Verfaßtheit nur noch dystopische Zukunftsvisionen zuzulassen scheint. Zwar kapriziert sich die Kurz'sche Analyse, ganz in Marx'scher Tradition, auf ökonomische Aspekte, während die akute Krise offenbar eine universelle, substantielle ist – doch ist bekanntlich die Ökonomie die Leitwissenschaft der bürgerlichen Gesellschaft, ihre Imperative gerinnen zum Sachzwang, der die ganze Welt in politischen, juristischen, ökologischen, militärischen usw. Aspekten umklammert. Sodaß die Kritik der politischen Ökonomie auch im 21. Jahrhundert noch ihre Relevanz behält, und sei es nur, um die allseitige Krise über ihre offensichtlichen Symptome hinaus adäquat auf den Begriff zu bringen.
Daß Kurz eine Genugtuung empfunden hätte, derart bitter recht zu behalten, darf bezweifelt werden.
"Der Kritiker weiß, daß seine Geschichte nicht das letzte Wort sein wird, aber er setzt alles daran, es zu behalten. Er duldet keinen Widerspruch und wünscht doch nichts mehr, als daß der Fortgang der Geschichte ihn widerlegt. Er ist rechthaberisch, nur um nicht recht zu behalten. Selbstzweifel sind ihm fremd, sein Pessimismus ist Camouflage im Dienst der selfdestroying prophecy. Stets beschwört er das Schlimmste, aber glaubte er nicht an die Macht seiner Worte, den Gang der Dinge aufzuhalten, so würde er verstummen."
(Ulrich Bröckling)