"ein Gewordenes, Bedingtes"

Psychoanalytisches über Kindheit und Geschlecht – und die Pseudowissenschaft der Pädagogik

Das Geschlechterverhältnis ist ein entscheidender Faktor unserer Subjektivität, sie bestimmt unser Sein – unser Denken, Fühlen und Verhalten – in vielerlei Hinsicht. Und zwar, weil die Grundlegung geschlechtlicher Subjektivität ganz wesentlich mit den Triebschicksalen verbunden ist, es hier also um eine sehr tief liegende Ebene der Subjektivität geht. Gerade in bezug auf die identitäre Geschlechterordnung wird aber auch deutlich, daß wir am tiefsten Grund unserer Subjektivität gesellschaftlich Bestimmtes vorfinden. Für die deswegen notwendige Kritik des gesellschaftlichen Geschlechterverhältnisses wird es sinnvoll sein, sich mit der psychischen Konstitution der Subjektposition und ihrer Grundlegung im Trieb auseinanderzusetzen. Dafür bietet die Psychoanalyse außerordentlich hilfreiche Konzepte.

 

Zwei Vorträge nähern sich dem Thema:

  • Sebastian Winter: "Die Geschlechterordnung und der Trieb" (Halle, 2016)
  • Florian Müller: "Zur Aktualität Siegfried Bernfelds" (Freiburg, 2016)

 

Siegfried Bernfeld (1892–1953) zählt zu jenen Schülern Sigmund Freuds, die in Opposition zur Angestellten-Mentalität standen und deren Werke für eine Neuetablierung der Psychoanalyse nach 1945 in Deutschland nicht mehr gebraucht wurden. Erst durch die Studentenbewegung der 1960er Jahre erfuhren seine Schriften eine Wiederentdeckung, finden aber heute erneut nicht die Beachtung, die er verdient hätte. Bernfeld formuliert eine scharfe Kritik an der Pädagogik und wirft ihr Unwissenschaftlichkeit vor, da sie sich nach den Maßgaben der Gesellschaft richte und eine konservative Funktion einnehme: das Bestehende zu erhalten. Er verwirft auch die Idee, mittels „richtiger“ Pädagogik den idealen Menschentyp erziehen zu können und kritisiert an ihr, was auch Adorno in den sechziger Jahren über Pädagogik geschrieben hat: daß sie mit „Tiefsinn aus zweiter Hand übers Sein des Menschen [...] schwafelt“. Mit scharfer Polemik lotet Bernfeld sowohl die Grenzen der Psychoanalyse als auch der Erziehung aus und hat an Aktualität nichts verloren.

 

"Institutionalisierung ist dem Denken abträglich"

 

Sendetermin
Freitag, 29. November 2024 - 14:00 bis 16:00
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