Der Grusel des Gewöhnlichen
Prokurist des Unbehagens. Vor 100 Jahren starb der Schriftsteller Franz Kafka
Nicht viele Autoren bringen es zu Adjektiven, die ihnen (oder dem, wovon sie handeln) posthum angedeihen: freudianisch, marxistisch, kafkaesk. Doch den ganz Großen kann auch die kanonisierende Eingemeindung als „Weltliteratur“, als „Großdenker“, als Stadionrock oder Schullektüre nichts anhaben, nicht den Stachel nehmen, der doch ihre herausragende Stellung allein begründet. Die Neutralisierung gelingt nicht.
Kafka vollbringt es, fast ohne Mittel künstlerischer Verfremdung die Entfremdung des Subjekts der Moderne darzustellen, ja fühlbar werden zu lassen. Auffällig ist Kafkas Enthaltsamkeit gegenüber jeglichem Pathos. So nüchtern die Schilderungen, so klar der Verstand. Gar nicht klar aber die Welt da draußen. Doch ist sie nicht immer im Recht, die objektive Welt? Spinnt nicht immer nur das Individuum?