Aufklärungs- und Zerstreuungsapparat
Bürgerradio oder Szenefunk ... oder etwas drittes?
Zwischen Underground und Dudelradio
Ein historisches Datum wie HUNDERT JAHRE HÖRFUNK muß nicht Anlaß sein für schnarchige Sonntagsreden, ein solches Jubiläum bietet vielmehr Gelegenheit für ausgiebige Reflexion über Anspruch und Wirklichkeit unseres Tuns – ein Innehalten, das nicht folgenlos bleiben muß. Was wollen wir überhaupt? Was können wir denn? Und: Was tun wir eigentlich? Gibt es überhaupt ein Wir? Oder besteht die Praxis der "Freien Radios" heute vor allem in der Selbsttäuschung, sich in der Tradition subversiver Bewegungen zu wähnen, aber doch längst in einem Gehege von domestizierendem Antrags- und Förderunwesen, medienpädagogischer Dienstleisterei und handzahmer DJ Culture sich häuslich eingerichtet zu haben?
In einem Rundumschlag aus ... Liebeserklärungen an das Radiomedium und seine eigentümliche Ästhetik ... theoretischer Durchdringung eines Begriffs kritischer Öffentlichkeit ... einer kurzen Geschichte der (seit nunmehr 100 Jahren versuchten) revolutionären Medienpraxis und ... nicht zuletzt einer Handvoll treffsicherer Polemik zum Thema ... wollen wir uns heute Rechenschaft ablegen über unser sonderbares Treiben:
- Torsten Liesegang skizziert, wie sich in den vergangenen 250 Jahren eine bürgerliche Öffentlichkeit herausgebildet hat, und unterzieht die idealisierten Öffentlichkeitstheorien und -begriffe von Kant bis Habermas einer materialistischen Kritik
- Die Redaktion Sachzwang FM erzählt eine kurze Kulturgeschichte der Medien, und wie ihre Nutzung die jeweilige Zeit und Gesellschaft widerspiegelt – oder aber voranbringen könnte
- Harald Strauß ergründet das Eigentümliche in der Konstellation von Rundfunkmedium und -hörer und leitet daraus Postulate ab zu einer Hörfunkästhetik in aufklärerischer Absicht
- Auch die Redaktion Sachzwang FM plädiert dafür, in Fragen von Machart und Form immer der ästhetisch avancierteren Praxis den Vorzug zu geben, wenn man überhaupt daran interessiert ist, Gehör zu finden
- Eine experimentelle Collage (mit Brecht als Gewährsmann) möchte anmerken, daß das Rundfunkmedium als Alltag und Betrieb seit jeher unter seinen Möglichkeiten geblieben ist, und empfielt: "Hörende aller Länder, vereinigt euch!"
Wir sind ganz Ohr.
"Zu einer vielleicht wirklich möglichen Leidenschaft des Auditoriums bräuchte es aber zunächst ein vielfaches der tatsächlichen Leidenschaft der Sendenden."
"Ein guter Radiomacher muß eine sehr gute Radiohörerin sein."
( die erste von drei Sondersendungen der Reihe Sachzwang FM zum Thema )