Wüster Impressionismus. Die Musik von My Bloody Valentine

Im Oktober 2001 feierten wir unter dem Titel "Die Musik gewordene Libido" das 10-jährige Jubiläum der Veröffentlichung des Albums "Loveless".

Es war schon damals absehbar, daß dies wohl die letzte Platte der Band My Bloody Valentine bleiben würde, erschien die Musik doch kaum noch zu steigern. Letztes Jahr war es dann aber doch so weit: mit "mbv" wurde nach 22 Jahren die lang ersehnte Nachfolgeplatte veröffentlicht.

Anlaß genug für das dialektische Musikmagazin Hörsturz, einmal zu rekapitulieren, was in dieser langen Zeit alles passiert ist -- vor allem auch an ärgerlichen Entwicklungen:

My Bloody Valentine stammen tatsächlich aus einer ganz anderen Zeit, in der man Wörter wie Underground und Mainstream noch quasi naiv, ohne Relativierungen wie „sogenannt“ oder „vermeintlich“ benutzen durfte, ohne sich lächerlich zu machen. Eine Zeit, in der man sie noch guten Gewissens ohne Anführungszeichen schreiben konnte, ohne sich einer Mythenbildung verdächtig zu machen oder perfider Selbsttäuschung auf den Leim zu gehen. Aber natürlich verbietet es sich, in sentimentaler Larmoyanz von der guten alten Zeit zu schwärmen, denn wer wünscht sich schon A-ha, Rick Astley, Snap, Europe und Roxette zurück, ganz zu schweigen von David Hasselhoff und Modern Talking? [...]

Obwohl also seit den frühen 1990er Jahren zahlreiche Entwicklungen, wenngleich allzu oft die abstrusesten, vonstatten gegangen sind, so muß die Zeitspanne zwischen 1991 und 2013 im großen und ganzen dennoch kulturell als bleierne Stagnation verstanden werden: wenn man sie nämlich mit den 22 Jahren vergleicht, die – sagen wir – zwischen 1959 und 1981 vergangen sind. Unvorstellbar erstens, daß eine Musikgruppe diese Zeit überhaupt in einer Art Winterschlaf überdauert hätte, ohne eine Karikatur ihrer selbst zu werden, vollends unwahrscheinlich aber, daß ihre kaum veränderte Musik auch im mehrfach kulturell revolutionierten Umfeld noch derart ungestüm und dissident geklungen hätte. Es fragt sich, wer – außer völlig obskuren, gern unbekannt gebliebenen Indie-Nerds – überhaupt so souverän und einigermaßen unbeschadet wie My Bloody Valentine aus diesen doch äußerst unerquicklichen Transformationen der Kulturindustrie hervorgegangen ist.

Sendetermin
Samstag, 17. Mai 2014 - 22:00 bis 23:00
Wiederholung
Dienstag, 20. Mai 2014 - 23:59 bis Mittwoch, 21. Mai 2014 - 1:00
Mittwoch, 21. Mai 2014 - 14:00 bis 15:00
Tags
Sendung: 
ArtistTitel
My Bloody Valentine
mbv (2013)