Vor 20 Jahren starb John Peel (1939–2004)

Das dialektische Musikmagazin Hörsturz
huldigt heute dem verblichenen Kollegen

 

Tja. Wie fing das alles an?
Ich weiß nicht mehr, ob es 1988 oder 1989 war, ein Bekannter aus der Parallelklasse empfahl mir, “Hör dir mal John Peel an”. “Wen?” Seit 6 Jahren hatte ich Musik gehört, wie man so sagt, d.h. hauptsächlich im Radio zunächst die Hitparaden verfolgt, hier und da auch gute Stücke auf Kassette aufgenommen, und mit der Pubertät, als auch die Charts immer schlimmer wurden – vor allem im Tschernobyl-, Europe- und Modern-Talking-Jahr 1986 –, begonnen, mich eher für musikalische Subkulturen zu interessieren. Das war nur bedingt das, was auch Freunde taten; natürlich echauffierten auch sie sich über die immer billigere Popmusik, die seit Mitte der 80er Jahre die subtile Abgründigkeit des New Wave mehr und mehr vermissen ließ. Doch sie schienen etwas wertkonservativ beim Hardrock stehen geblieben zu sein, während ein paar Typen in der Parallelklasse ein bißchen auf Punk und Indie machten und auch Konzerte im autonomen “Arbeiterjugendzentrum” AJZ besuchten. Kutkat mit seiner intellektuellen Nickelbrille, Olderdissen mit seinem eigentümlichen Schimpansengrinsen und schließlich Harting, der völlig auf Hiphop stand. Das paßte auch zu so Gestalten aus der Oberstufe, die 2, 3 Jahre älter waren, also quasi professionelle Punks; auch wenn das nur zwei waren, die aber jeder vom Hörensagen kannte: der lange, schlacksige Peukert und der etwas feiste Herzig, die hießen wirklich so, auch wenn sich das jetzt so klischeehaft anhört, als handelte es sich um Schießbudenfiguren oder Witzfiguren. Für uns, zumindest für mich, waren das veritable Vorbilder, mit ihren S.O.D.-Aufnähern und dem ganzen nonkonformistischen Habitus. Da paßte es wie gesagt ganz gut, daß Harting, kauziger Anarchist und kurzhaariger Rap-Fan, mir nahelegte, doch mal “die John-Peel-Sendung” zu hören, da liefe auch Public Enemy und sowas ... John Peel, auf BFBS, dem britischen Soldatensender, der angeblich das größte Plattenarchiv weit und breit hatte. Er, Harting, lieh mir sogar eine Kassette mit einer Aufnahme der Sendung aus, es sollte die einzige Metall-Kassette geblieben sein, die ich je in der Hand hielt. Sie war doppelt so laut ausgesteuert wie andere Audio-Kassetten und solche Dinger hießen nicht wegen der Musik “Metal”, sondern weil es edle Reineisen-Tapes sind, anstatt Chromdioxyd oder noch verrauschteren Ferro-Bändern. Hartings Kassette war in einem sehr schweren, edlen Gehäuse, aus Metall statt aus Plastik, diese Dinger kosteten fast 10 Mark statt 2 oder 3 DM wie übliche Kassetten. Naja, daß der die Sendung auf so ein dekadentes Edel-Tape aufgenommen hatte, flößte mir schonmal gehörig Respekt vor John Peels Sendung ein. “Das wird dir gefallen, der spielt auch Hardcore”, meinte Harting zu mir ...

Leider verstarb John Peel im Oktober 2004 völlig unerwartet, er war im August gerade 65 Jahre alt geworden, “und kein bißchen leise”, wie man über rüstige Rentner ja so gerne sagt. Als 50-jähriger hörte er sich an wie ein agiler 30-jähriger, nun, mit 65, hatte seine Stimme, trotz des nach wie vor flinken Duktus, etwas Johnny-Cash-mäßig gealtertes, eine joviale akustische Patina.

 

Sie hören eine Wiederholung von Hörsturz #971, vom 25. Oktober 2014.

.

Sendetermin
Samstag, 26. Oktober 2024 - 22:00 bis 23:00
Wiederholung
Dienstag, 29. Oktober 2024 - 23:59 bis Mittwoch, 30. Oktober 2024 - 1:00
Mittwoch, 30. Oktober 2024 - 14:00 bis 15:00
Tags
ArtistTitel
Rubher
"Johnny Peel is dead"
Thrilled Skinny
"Airing cupboard"
Cul De Sac
"Death kit train"
My Bloody Valentine
"You made me realize"
Arson Garden
"Heat from a radiated house"
Anomalys
"Anomalys now!"
Four Brothers
"Munondizvidza"
Satan's Pilgrims
"El rey!"
Teenage Filmstars
"John Peel march"
Terrorizer
"After world obliteration"
Nightbloums
"Crystal eyes"
14 Iced Bears
"World I love"
Edgar Broughton Band
"Apache drop out"
Lush
"Leaves me cold"
Peter Dawson
"D'ye ken John Peel"
AC Temple
"Horsetrading"
Ollie Oakley
"D'ye ken John Peel"
Gangster Sound
"Selector"
Family Cat
"From the city to the sea"
Napalm Death
"No mental effort"
Would Be's
"I'm hardly ever wrong"
Boo Radleys
"Tortoiseshell"
Jeffrey Lewis
"History of The Fall"
London Punkharmonic Orchestra
"Teenage kicks"
{John Peel's The Fall}
Ride
"Seagull"
Bis
"We love John Peel"