I can't get no! ... I can't get no! ... I can't get no! ... vor 50 Jahren
„Zufriedenheit“ bzw. „Genugtuung“ oder „Erfüllung“, „Befriedigung“, wobei natürlich vor allem letzteres das verstärkte Interesse des oder der Pubertierenden zu wecken vermag, freilich ahnt man die sexuelle Konnotation bereits.
Das Wort ist lateinischen Ursprungs, man kennt es evtl. auch aus ganz anderen, abseitigen Kontexten, bspw. aus einem urdeutschen Ehrenmord-Procedere. So gibt es im Film „Der Untertan“ (DDR 1951) die Szene, als sich zwei Korporierte der Kaiserzeit im Bierkeller anranzen, nachdem der eine den anderen scheel angeguckt hat: „Mein Herr, Sie haben mich fixiert. Ich fordere Satisfaktion!“
Im August 1965 wird „Satisfaction“ als Single in Europa veröffentlicht. Stücke wie dieses elektrisieren Jugendliche, wo immer sie das hören. Binnen Jahresfrist schießen Myriaden von sogenannten Garagenbands wie Pilze aus dem Boden, Bands unzufriedener junger Männer, manchmal auch junger Frauen, die meisten von ihnen keine 20 Jahre alt. Stellenweise zeichnet diesen teen beat eine verblüffende Musikalität v.a. im Herausarbeiten ungewöhnlicher harmonischer Akkordschübe aus, die das klischeehaft-klagende Bluesschema längst überwunden haben, diese Musik ist auch direkter, aggressiver und aufmüpfiger als alles bisher dagewesene. Meistens besteht sie aus vier endlos und ungeduldig sich wiederholenden Akkorden, eine schiebende und stampfende four chord mania ist losgetreten, die schon 1966 ihren Höhepunkt erreicht, nicht nur in den USA. Das ist etwas anderes als die kommode Gebrauchsmusik, die an den Fließbändern von Motown produziert wird, v.a. ästhetisch grenzt sich der teen beat scharf ab vom herzigen Weltversöhnungsprogramm namens Soul. Dieser wilde und ungestüme teen beat, die im ewigen Ostinato von vier perennierenden Akkorden brennende Musik nimmt den punk rock der 70er Jahre vorweg. Der wüste teen beat der mittleren 60er Jahre firmiert daher auch als teen punk oder garage punk.
Im Westen warnten christliche und andere Reaktionäre vor der rebellischen, zu Libertinage und „Sexualkommunismus“ führenden Teufels- und Negermusik ebenso wie im Osten die Poststalinisten vor bürgerlich-zersetzender, westlich „dekadenter“ Abfallkultur. Beide meinten dasselbe Phänomen und nannten es in bemerkenswerter Eintracht und demselben volkspädagogischen Jargon „zügellosen Individualismus“, und die allseitige Hetze sprach natürlich für diese neue Musik, nicht nur, weil ja der sprichwörtliche Reiz von allem Verbotenen ausgeht.
Ein Zeitzeuge („I speak as someone who was an actual teenager during a significant portion of the 1960s“) gibt zu Protokoll, „Satisfaction was more influential than any other record on what we now call garage.“ Die Rock-Rebellion war nicht immer ein so lächerliches und abgestandenes Klischee wie heute. Vielleicht gelingt es, dem höchst abgenutzten, totgespielten und zahnlos anmutenden Stück ein bißchen Kante und Würde zurückzugeben, indem wir es in diesen subkulturellen Kontext stellen, den es mit hervorgebracht hat.
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