Aleph und Zahir

Der nationalistische Mob, der auf Straßen und in Wahlkabinen mobil macht, hat "das Abendland" erneut zur Parole des Pogroms werden lassen. Je inflationärer sie in Umlauf gesetzt wurde, desto mehr mutierte sie zur Tirade derer, die alles aufs Spiel zu setzen bereit sind, weil sie nicht wissen, was auf dem Spiel steht. Noch der Rat der Kanzlerin, zur Verteidigung dieses "Abendlands" Weihnachtslieder zu fotokopieren und zur Blockflöte zu greifen, partizipiert an einer Ahnungslosigkeit, die sich nicht damit wird herausreden können, nur schlichten Gemüts gewesen zu sein.

In einer Lesung von Texten aus verschiedenen Jahrhunderten machen wir Spuren eines Buchs kenntlich, dessen Herkunft dunkel und das in seiner Kürze zu den rätselhaftesten gehört, die das frühe Mittelalter überlieferte. Das Buch der 24 Philosophen, so notiert sein Herausgeber Kurt Flasch, sei "das Originellste, um nicht zu sagen: das Verrückeste, was sich in einer mittelalterlichen Handschriftensammlung finden läßt. Der Text ist exzessiv eigensinnig, ein Ausbund an spekulativer Theosophie. Es hat intensiv forgewirkt in der Geschichte der Philosophie, der Theologie und der Naturwissenschaft." Sollte nach einem "Begriff des Abendlands" gesucht werden, so könnte hier angesetzt werden, um dessen fragmentarischen, disseminativen Zuschnitts gewahr zu werden. Wo immer es sich zu fassen suchte, da aus einem Abstand zu sich, der das "Abendland" zur Figur einer Öffnung machte.

An dieser Sendung haben mitgewirkt:
Ulli Maier, Markus Boysen und Hans-Joachim Lenger

 

Sendetermin
Sonntag, 26. Dezember 2021 - 20:00 bis 22:00
Wiederholung
Freitag, 14. Januar 2022 - 14:00 bis 16:00
Tags
Sendung: