Chronologie der Nötigung – 14. Akt
14. Akt: Europa neurotisch
Mittlerweile sind wir im Jahr 2016 angelangt. Das überraschende Votum zum Austritt Großbritanniens, präzedenzlos in der Jahrzehnte währenden Geschichte der Europäischen Union, ist soeben gefallen und beschäftigt Politik und Öffentlichkeit über alle Maßen.
Eine weitere Zäsur im Sommer 2016 stellt die großangelegte Säuberung des türkischen Staatsapparats dar, die auf jenen dilettantisch inszenierten Putschversuch folgte - und den eigentlichen Staatsstreich darstellt. Eine autoritäre, nationalistische Formierung greift so in immer mehr Ländern um sich.
Seit 2010 verfolgen wir sporadisch die Chronologie der Nötigung, den Verlauf der Euro-Schuldenkrise.
Einmal mehr begeben wir uns in die unerquicklichen Untiefen der Realpolitik und zeichnen den Fortgang von ökonomischer Verelendung und politischer Entscheidungsfindung nach. Hören Sie zwölf Kommentare und Analysen aus der zweiten Jahreshälfte 2016:
Die Entscheidung für den Austritt aus der EU war kein Protest gegen den Neoliberalismus. Es ging nicht um den Kampf gegen den Marktextremismus, sondern darum, wer am Markt teilhaben darf ... In Italien hofft die Regierung nach der britischen Absage an die EU auf mehr Einfluß in deren Institutionen, während EU-kritische Parteien Stimmen gewinnen. Zu schaffen macht dem Land vor allem die Bankenkrise ... Nach dem britischen Votum für den Austritt steht nicht nur die Zukunft der europäischen Wirtschaftsmacht auf dem Spiel. Das Ressentiment gegen die EU ist zur geschichtsmächtigen Kraft geworden. Mit ihm können sich europaweit auch Linke identifizieren ... Ein Referendum zum EU-Austritt wird es in den Niederlanden vorläufig nicht geben. Die Idee eines »Nexit« geistert trotzdem bereits seit Jahren durchs Land ... Angesichts der Erfolge rechter Bewegungen in Europa mehren sich in der Linken Stimmen, die mehr Populismus fordern, vom nationalstaatlichen Ordnungsprinzip träumen und bereit sind, liberale Zugewinne an individueller Freiheit zur Disposition zu stellen ... Der gescheiterte Putschversuch zieht die türkische Wirtschaft in Mitleidenschaft. Besonders die Abhängigkeit der Türkei von ausländischem Kapital trägt zu den Problemen der AKP-Regierung bei ... Die österreichische Präsidentschaftswahl muß wiederholt werden – wegen Formfehlern. Doch die Rechten sehen sich als Sieger und hoffen auf einen Sieg ihres Kandidaten Norbert Hofer ... Angesichts der Rezession wächst in Griechenland die EU-Skepsis, doch die Mehrheit der Bevölkerung lehnt einen Austritt ab ... Mehreren italienischen Banken droht wegen einer hohen Anzahl sogenannter fauler Kredite der Zusammenbruch. Gestritten wird nun darum, ob - wie von der EU vorgesehen - private Einleger an der Bankenrettung beteiligt werden müssen ... Die Politik des billigen Geldes bringt auch immer mehr passive Anlagestrategien hervor. Die Vermögen werden trotzdem größer, zumindest vorerst noch ... Beim Gipfel in der slowakischen Hauptstadt haben sich die politischen Konflikte in der EU gezeigt ... Europa befindet sich in einem unaufhaltsamen Zerfallsprozeß, der lange vor dem britischen Referendum begonnen hat. Nach der britischen Entscheidung, aus der EU auszutreten, ist dieser Zerfall für alle greifbar geworden. Die sogenannte Flüchtlingskrise hat den Rest dazu getan.
Was bisher geschah:
- Akt: Wie Deutschland Europa zu erziehen trachtet
- Akt: Die Installation der Technokraten
- Akt: Von der "Agenda 2010" zu "Europa 2020"
- Akt: Die Krise brütet
- Akt: In goldener Morgenröte
- Akt: In Irland, Zypern und anderswo
- Akt: Merkiavellis Europa
- Akt: Nationalisten und Nullzinsen
- Akt: Quantitative Lockerungsübungen
- Akt: Seit 5 Uhr wird zurückgenötigt!
- Akt: Improvisieren, wenn es kracht
- Akt: Zu Kreuze
- Akt: Affektierte Öffentlichkeit
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