Ästhetik der Verkrampfung vs. Neue Deutsche Befindlichkeit
In einem kurzweiligen Vortrag beleuchtet Frank Apunkt Schneider, warum Popkultur "vielleicht das wichtigste Reeducation-Programm" war. Popmusik auf deutsch war lange Zeit undenkbar.
Erst mit New Wave und Punk entstanden deutsche Texte, die sich zur Kolonialisiertheit durch Pop bekannten. Und als aus der guten alten Bundesrepublik wieder häßliches neues Deutschland geworden war, verstärkten um 1990 Bands wie Kolossale Jugend oder die frühen Blumfeld die Dissonanzen. Ihre Sperrigkeit war eine Abfuhr ans neu verordnete Wir-Gefühl. Aber in ihrem Windschatten entstand eine neue Generation, die endlich "ganz unverkrampft" (Roman Herzog) deutsch singen wollte. Bands wie Tomte und Kettcar sangen (noch) nicht für Deutschland, aber ihr kleinbürgerlicher Gemüts-Indiepop paßt allzu gut zum Entkrampfungsbefehl der Berliner Republik. Heute ist das deutschsprachige Neo-Biedermeier flächendeckender Konsens.
In einem historischen Rundumschlag mäandert Frank Apunkt Schneider durch ein Panoptikum von Schlager und Deutschrock, Neuer Deutscher Welle und den Machwerken Nachgeborener, die keinen Begriff mehr davon zu haben scheinen, wie sehr ihre postmoderne Befindlichkeitsmusik das illustriert, was - einst ein erbitterter Kulturkampf - längst kleinbürgerlich sediert ist.
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