Narziß auf den Straßen
Wer auf die Suche nach dem eigenen „Selbst“ geht, um hier seiner Ganzheit, seiner Einmaligkeit, Größe, Schönheit ansichtig zu werden, schaut in den Spiegel.
Der Blick des anderen nämlich schlägt immer ein Loch in den eigenen Horizont. Er bleibt unbeherrschbar. Er unterbricht, er setzt das „Ich“ aus und öffnet es dem Spiel des Begehrens. Ihm zu entgehen, ist das Geheimnis des narzißtischen Sehens, das dazu verurteilt bleibt, sich in die Leere des „Selbst“ zu verlieren. Wo es unauffindbar ist, unterwirft es sich einer Unmöglichkeit, die einer tödlichen Erschöpfung gleichkommt. Der Aufruhr auf den Straßen, in Parlamenten und an den Stammtischen korrespondiert dieser Erschöpfung ebenso wie die Techniken der „Selbstfindung“ und „Selbstoptimierung“, die Konjunktur erleben. Und dies verschränkt den Narzißmus auf den Straßen mit den Metamorphosen der Macht.
Mit Beiträgen von:
Hans-Joachim Lenger, Ovid (gelesen von Markus Boysen), David Wallraf, Harald Strauß, Benjamin Sprick, Georg Christoph Tholen.
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