Gesinnungskrieg, Weltordnungskrieg, Vernichtungskrieg: Das "Unternehmen Barbarossa" vor 75 Jahren
Im Juni 1941 überfiel bekanntlich die deutsche Kriegsmaschinerie die Sowjetunion, was den eigentlichen Beginn des Zweiten Weltkriegs markiert. Der Aggression waren keine politischen oder ökonomischen Forderungen vorausgegangen, kein Ultimatum und keine Kriegserklärung. Zwei Jahre zuvor hatten beide Staaten sogar einen Nichtangriffsvertrag geschlossen.
"Angriff", "Überfall", "Aggression", ... Die eingeschliffenen Wörter, die den Kriegsbeginn und das Kriegsgeschehen seither stereotyp beschreiben, versagen vor der Realität einer Barbarei, die qualitativ wie quantitativ kaum vorstellbar ist. Der Historiker Erich Später hat in seinem Buch "Der dritte Weltkrieg" dennoch versucht, die Geschehnisse darzustellen.²
Geplant wurde der Krieg der Herrenmenschen gegen "slawisches Untermenschentum" und "jüdischen Bolschewismus" als geopolitischer Weltordnungskrieg ebenso wie als paranoid-apokalyptischer Erlösungskrieg; mobilisiert wurde für ihn als hochmoralischen, antikommunistischen wie antisemitischen und rassistischen Gesinnungskrieg; geführt wurde er schließlich als skrupelloser Vernichtungskrieg, eine militärische Raserei sondergleichen.
Stets hatte die deutsche Propaganda³ gehetzt, "der Jude", der in West- und Mitteleuropa gelernt habe, sich assimiliert und kultiviert zu geben, zeige "im Osten sein wahres Gesicht". Das war ein Glanzstück der pathischen Projektion: Vielmehr offenbarten die Nationalsozialisten selbst, die Deutschland 1941 längst nach ihrem Bilde geformt hatten, in vollends enthemmter Brutalität "im Osten" ihr wahres Gesicht.
Der Holocaust, die deutsche Tat schlechthin, geschah nicht anders als im Kontext dieses monströsen Vernichtungskrieges.
Das Resultat waren, nach heutigem Forschungsstand, 27 Millionen Tote auf sowjetischer Seite, davon über die Hälfte ermordete Zivilisten. Kein Land hat mehr im Zweiten Weltkrieg gelitten.
Und schon wird wieder geunkt, die "russische Propaganda" und "der Heldenkult" um diese Opfer seien geschmacklos, pompös und dienten bloß "Putins Machtpolitik".
(Zum Vergleich: Deutschland hatte ca. 6 Mio. Tote zu beklagen, davon ca. 1 Mio. zivile; Quelle: Wikipedia)
²) das Buch basiert auf einer Artikelserie im Magazin konkret. Sein eigentümlicher Titel ist inspiriert von Joachim C. Fest ("Hitler. Eine Biographie"), der darauf hinweist, daß die deutsche Kriegsführung im Osten sich signifikant von der im Westen unterschied.
³) bspw. im Film "Der ewige Jude", 1940
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