Schänder Trouble: Der "Perverse" und der Volkszorn

oder: Neues von der verfolgenden Unschuld

Nicht erst die "Enthüllungen" über Fälle von Pädophilie im Grünen-, Kirchen- und reformpädagogischen Milieu oder die Schlagzeilen imzuge der sog. Edathy-Affäre ...

... sind um einiges unappetitlicher als ihr Gegenstand: Wo das gesunde Volksempfinden sich – ach, sind wir zivilisiert! – hier und heuer nicht mehr an "Schwulen" und "Juden" oder "Negern" und "Kanaken" aufrichten kann, haben andere Klischees nach wie vor Konjunktur. Dem zugrundeliegenden psychischen Projektionsmechanismus der "verfolgenden Unschuld" (Karl Kraus) und seinen objektiven gesellschaftlichen ("lebensweltlichen") Bedingungen wollen wir heute nachgehen.

Dabei graben wir wie fast immer etwas tiefer als anderswo üblich. Fünf Beiträge zum Komplex:

  • "Kleine große Männer" (Magnus Klaue, 2013)
    Daniel Cohn-Bendits Erzählungen von 'Flirts mit Kindern' zeigen, daß die Kommunen beim Fortgang der Menschen in die selbstgewählte Unmündigkeit generationenpolitische Avantgarde waren

  • "Der Frühling der Patriarchen" (Jörn Schulz, 2013)
    Die Forderung nach Legalisierung der Pädophilie stand in den Jahren um 1980 im Zusammenhang mit den Aktivitäten der Kinder- und Jugendrechtsbewegung

  • "Strafe muß sein" (Markus Ströhlein, 2014)
    Der Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Kinderpornografie zeugt von einem immensen Strafbedürfnis und der Verdrängung gesellschaftlicher Tatsachen

  • "Spuck den Schnuller aus" (Magnus Klaue, 2013)
    Von der kindlichen Sexualität zum infantilen Geschlechtscharakter

  • "Schänder Trouble" (Les Madeleines, 2007)
    Zur aktuellen Verschärfung des Sexualstrafrechts und dem nicht bloß aktuellen Haß auf die Perversen

"Was an den Kindern [...] als verführerisch beschrieben wird, ist gerade nicht das bloße Kindsein, das sie vom Erwachsenen unterscheidet, sondern das Aufleuchten des Erwachsenen im Kind, wie jeder nicht vollends mit Stumpfsinn Geschlagene am Erwachsenen auch nicht dessen sture Erwachsenheit, sondern das Aufleuchten des Kindes im individuierten Menschen als verführerisch, reizvoll und liebenswert erfährt. [...] Sich von der unbekannten, ichfremden Welt verführen zu lassen und sie selbst zu verführen, sie sich genehm und sich selbst ihr gefällig zu machen, ist insofern Voraussetzung aller glücklichen Vermittlung, ja von Zivilisation selbst."

"Die Rhetorik des Mißbrauchs [...] vermag selbst noch den freiwilligen Akt der Hingabe an einen anderen Menschen, bei dem das Selbst sich notwendigerweise nicht brav und berechenbar 'bestimmt', sondern im anderen vergißt, als gewaltförmig zu inkriminieren. Verführung dagegen schließt ihrem genuinen Sinn nach zwar nicht Fremdbestimmung, aber Zwang aus, in ihr wird die Hingabe an den anderen nicht erlitten, sondern genossen, und sie kennt, anders als die protestantische Ethik durchgegenderter Antisexisten, keine rigiden Kodizes, die nur alle befolgen müssen, damit die Sexualität endlich so reibungslos abläuft wie der ordnungsamtlich geregelte Straßenverkehr." - "Schon die Kinder sollen die Regeln lernen, mit denen die Erwachsenen sich, statt wie Erwachsene miteinander umzugehen, einander vom Leib halten oder aufeinander losgehen, und die die Erwachsenen zum Überleben so nötig zu haben glauben wie Fahrradhelm und Neonjacke, in die sie sich im Straßenverkehr ebenso wie ihre Kinder zwängen."

"[...] muß man Kinder nicht [...] 'stärker machen' und ihnen beibringen, 'nein zu sagen', um sie schon vor Erreichen der Volljährigkeit jenen verpanzerten Kreaturen anzugleichen, denen Antisexisten in ihrem eigenen Milieu tagtäglich begegnen, sondern im Gegenteil die Fähigkeit zur Objekterfahrung, zur Erfahrung von Ichfremdem, reflexiv werden lassen, die, einstweilen trübe und vorbewußt, in der kindlichen Erfahrung angelegt ist."

 

 

 

 

Und lassen Sie sich überraschen, auf welchen Komplex unseres "Themenparks" (Expo 2000) wir uns nächstesmal kaprizieren:

  • Über die kapitalistische Totalität und ihre Geschichte

  • Über einige ihrer Momente

  • Über ihre vermeintliche Aufhebung - die deutsche Ideologie

  • Über Subjektivität

  • sonstiges und weiteres

 

 

Sendetermin
Sonntag, 27. Dezember 2015 - 20:00 bis 22:00
Wiederholung
Freitag, 1. Januar 2016 - 14:00 bis 16:00
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