1955–1965: Modernismus, Exotica, Surf ... Teil 2
Ausgabe #1297 ... ein Hörsturz spezial
"[...] musikalische Elemente sind nicht einfach Zeichen, die etwas nichtmusikalisches abbilden. Ihren Gehalt schöpfen sie vielmehr aus ihrer Geschichte, aus der Verwendung in bestimmten historischen künstlerischen Kontexten. Dies führt dazu, daß dieser Gehalt den Künstlern selbst oft gar nicht direkt bewußt ist. [...] Die Idee liegt sozusagen in der Luft und wartet darauf, in unterschiedlichen Kunstwerken unterschiedlicher Künstler Gestalt anzunehmen [...]; sie schlummert im Unter- oder Vorbewußten der Gesellschaft oder zumindest einer gesellschaftlichen Gruppe und sie braucht die Kunstwerke, um aus einem vagen gesellschaftlichen Gefühl zu einer historischen Realität zu werden."
"Die Mittelklasse-Teenager, die den überwiegenden Teil der Surf- und Surfmusik-Szene stellten, konnten in eine blühende Zukunft blicken. [...] Surfmusik repräsentierte eine konfliktfreie Utopie, die Möglichkeit einer Versöhnung von Individuum und Gesellschaft, von Gesellschaft und Natur, und zwar eine Versöhnung, die in der Tat, im Gegensatz zu späteren Hippie-Utopien, nichts Regressives an sich hatte. Doch angesichts unseres Wissens, daß diese Utopie nicht von Dauer war, offenbart sich, wenn wir genau hinhören, eine merkwürdige Leerstelle in der Surfmusik, die zu denken gibt."
Der musikhistorische Essay von Michael Koltan berührt wichtige Fragen der Ästhetik. Er hält einen kurzen Moment der Kulturgeschichte fest: den Surf-Twang der frühen sechziger Jahre.
Psychoanalytisch geschult, mit einem Sensorium für Dialektik in der Kultur und nicht zuletzt sehr leidenschaftlich dringt Koltan in die Tiefen und Untiefen der Populärkultur jener Zeit ein.
Fortsetzung von Hörsturz #1296