Berüchtigt für entrückte Musik

Unsere Redakteure empfehlen ihre besten Songs aus dem Jahr 1995, und überhaupt: auch die besten Songs der letzten 25 Jahre.

 

Heute Hörsturz mit dem Radiotrinker: "berüchtigt für entrückte Musik (böse Zungen sprechen von verhuscht) und funkelnde Melancholie (böse Zungen nennen ihn einen Sauertopf); mit Genugtuung und blankem Entsetzen gleichermaßen stellt er fest, daß die damals besten Stücke heute noch immer die besten Stücke von damals sind. Und weil es mir kaum möglich ist, die paar besten Stücke der letzten 25 Jahre zu kompilieren, hier statt fünf lieber zehn Kracher aus dem Jahr 1995. Zwischen allen Stühlen, gegen jede Szene."

 

Die wichtigsten Songs aus dem Jahr 1995:

1. Elastica „waking up“
vier Akkorde, Brezelgitarren, tragischer Harmonielauf, so muß es sein; hier treffen sich Punkrock und Gitarrenpop

2. Flying Saucer Attack „come and close my eyes“
psychedelische Erweckungserlebnisse der ganz eigenen Art, auf eine subtile Weise radikal, Naturmystik, quasipostkoitale musikalische Grenzerfahrung

3. Thinking Fellers Union Local 282 „empty cup“
mustergültiges Indie-Sahnestückchen von einer Band, die mir seinerzeit die beste der Welt dünkte

4. Locust „i feel cold inside because of the things you say“
Musik zum Innehalten; vertonte Psychoanalyse, Selbstbesinnung, Introspektion, verzwirbelter Rhythmus

5. Swervedriver „bring me the head of the fortune teller“
später Grunge-Hit, zumindest für meine Begriffe, der leider keiner wurde; atmet auch Mitte des Jahrzehnts noch den teenage spirit der Neunziger

6. Extreme Noise Terror „pray to be saved“ (1995 version)
die saftigen Neuaufnahmen verhalten sich zu den Originalen wie der Leninismus zum Anarchismus: wesentlich schlagkräftiger, auch wenn Puristen den Verrat an der reinen Lehre wittern

7. Satan's Pilgrims „el rey!“
Surf-Twang mit einer Energie und Musikalität, die ihresgleichen sucht; Rock'n'Roll auf dem Stand von 1995 (oder doch 1963?)

8. Seefeel „vex“
zu innovativ für „Techno“, zu spannend für „Electronica“, da braut sich was zusammen zwischen diesen tönenden Texturschichten

9. King Loser „76 comeback“
draufgängerischer Instrumental-Trash aus Neuseeland, laut und dreckig, aber dabei nicht stumpf und prollig; sondern abgründig, wie zeitgleich Bohren, psychedelisch und psychopathisch

10. Unitone HiFi „wickedness increase“
wirklich seit 1995 wüßte ich gern, woher dieses sentimentale Gitarrensample stammt, das diesen Dub-Brecher erst zu dem ästhetischen Erlebnis macht, das er ist

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