"Wie kann ein Mensch zu so etwas fähig sein?"

Zum Seelenhaushalt des Faschisten

"Wie können Menschen so etwas tun?" ... fragt man sich angesichts schwer begreiflicher Untaten, seien dies historische Menschheitsverbrechen oder gegenwärtige spektakuläre Gewaltkriminalität.
So naiv die Frage anmutet, so dringlich ist sie doch zu stellen. Denn das bequem distanzierte Staunen über charakterliche Pathologie der Täter ist ebenso wohlfeil wie allzu routinierte Erklärungsmuster, die wiederum zur Rationalisierung des Unfaßbaren neigen. Richtiger und wichtiger wäre es, dem gesellschaftlichen Grund solch subjektiver Abgründe nachzuspüren, welche die menschenverachtende Gewalt erst ermöglichen. Evident ist, daß skrupellose Gewaltausübung einer gewissen mentalen Disposition bedarf. Und nicht zu Unrecht wird diese Mentalität mit rechter Ideologie identifiziert. "Wissen Sie, jeder ist doch sich selbst der nächste, gell?"

Nach oben buckeln, nach unten treten

In einem seiner charakteristischen Bonmots² bemerkt Karl Marx, radikal sein hieße an die Wurzel zu gehen; die Wurzel sei aber der Mensch. Adorno erinnert genau daran, wenn er - ohne den in marxistischer Tradition stehenden Objektivitätsanspruch zur Disposition zu stellen - angesichts offen zutage tretender gesellschaftlicher Irrationalität jene "Wendung aufs Subjekt" einfordert. Dieses sei somit zum Gegenstand der Betrachtung zu machen, das Subjekt zum Objekt, wie es nicht zuletzt die Psychoanalyse vormacht.
Wo man sich bestürzt fragt "Wie können Menschen so etwas tun?", hat sich die Forschung auf den autoritären Persönlichkeitstypus zu kaprizieren, auf den verhärteten, abgestumpften Charakter. Wie bildet er sich, wo gedeiht er, was in dieser Welt begünstigt ihn? Und was hat das mit dem grassierenden "Rechtsrausch" (Georg Seeßlen) zu tun?

Mit Beiträgen von Jens Benicke, Radio Corax, Klaus Theweleit und Georg Seeßlen.

 

²) wie dem: alle Ökonomie löse sich in Ökonomie der Zeit auf (und wer wüßte das besser als die Redaktion Sachzwang FM, die sich den hilflos vermessenen Anspruch gesetzt hat, allmonatlich eine so interessante wie ansprechend aufbereitete, alle Tagespolitik transzendierende Kritikshow zu liefern, die ebenso in thematische Breite wie analytische Tiefe geht?)

 

Sendetermin
Sonntag, 19. Januar 2020 - 20:00 bis 22:00
Wiederholung
Freitag, 7. Februar 2020 - 14:00 bis 16:00
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