RDL veröffentlicht neue Erkenntnisse nach den Hausdurchsuchungen. Ausforschung von Radio Dreyeckland sollte sogar Hörer:innen treffen
Zusammenfassung:
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Alle beschlagnahmten Geräte und Speichermedien sind zurück, aber für die weitere Auswertung gespiegelt worden
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Landesanstalt für Kommunikation als zuständiges Aufsichtsgremium hat Meldung, die zur Durchsuchung führte, nie beanstandet
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Staatsanwaltschaft Karlsruhe wollte von RDL-Hoster umfassende Daten, die sämtliche RDL Web-Hörer:innen getroffen hätte
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Hausdurchsuchungen verunsichern geflüchtete Redakteur:innen, die wegen mangelnder Pressefreiheit aus ihren Herkunftsländern fliehen mussten
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Nach dem Verbot ist Indymedia.Linksunten als Openposting-Plattform nicht mehr existent, so dass diese „Vereinigung“ nicht unterstützt werden kann
Nach den Hausdurchsuchungen gegen Radio Dreyeckland am 17.01.2023 wird immer deutlicher, wie tief der Eingriff in das Redaktionsgeheimnis und die Ausforschung eines lizenzierten Rundfunkanbieters geht. Zwar wurden die Laptops, PCs, Smartphones und Speichermedien drei Tage nach der Beschlagnahme zurückgeben. Allerdings hat die Staatsanwaltschaft Karlsruhe bereits angekündigt eine weitere Auswertung vornehmen zu wollen. Und das obwohl es unstrittig ist, wer die Meldung, die zu den Durchsuchungen geführt hat, veröffentlicht hat. Die nur teilweise verschlüsselten Daten wurden für eine weitere Auswertung gespiegelt.
Radio Dreyeckland präsentierte auf einer Pressekonferenz am 06. Februar neue Erkenntnisse. „Nach dem ersten Blick in die Akten wird klar, dass die Staatsanwaltschaft bei unserem Hoster sogar alle IP Adressen erfragt hat, die in letzter Zeit auf rdl.de zugegriffen haben. Das hätte nicht nur die rund 150 Sendungsmachenden betroffen, sondern alle Hörer:innen und Nutzer:innen von Radio Dreyeckland, die über die Webseite auf Programminhalte zugreifen, erläuterte RDL-Techniker Franz Heinzmann. „Hätte unser Hoster der geforderten Herausgabe nach Benutzeranmeldungen und Identifikation entsprochen, hätte er der Staatsanwaltschaft einen Zugang zu unseren Server geben müssen, so dass sämtliche Radiokommunikation der letzten 25 Jahre bei der Polizei gewesen wären.“ erklärt Heinzmann. „Nur durch die Intervention unserer Anwältin konnte das geradeso noch verhindert werden, so dass der Staatsanwalt versprach, die Anfrage an den Hoster zurückzuziehen.“ Schriftlich hat Radio Dreyeckland diese Bestätigung allerdings noch nicht.
RDL Geschäftsführer Andreas Reimann machte darauf aufmerksam, dass die Meldung, die Auslöser für die Hausdurchsuchung gewesen ist, von der Landesanstalt für Kommunikation, die eigentlich für die Kontrolle von Radio Dreyeckland zuständig ist, nie beanstandet wurde. Die Staatsanwaltschaft hat die Landesmedienanstalt noch nicht einmal von den Ermittlungen informiert.
Radio Dreyeckland hat in den letzten zwei Jahren zahlreiche Projekte gemacht, erklärte Andreas Reimann. „Es gab eine Sendereihe zur Bewegung der Coronaleugner:innen; eine Podcastreihe hat sich kritisch mit der Polizeiarbeit auseinandergesetzt, jüdisches lokales Leben wurde gemeinsam mit der liberalen jüdischen Gemeinde porträtiert, die Our Voice Redaktion hat Workshops mit ukrainischen Frauen organisiert, es wurde eine inklusive Jugendredaktion aufgebaut. Kommunikation und zahlreiche Daten darüber liegen jetzt bei der Staatsanwaltschaft. Ich bin fassungslos.“
Dass eine Meldung, die rein sachlich über eine Einstellung eines Ermittlungsverfahrens informiert und ähnlich mit Link und Bild auch in anderen Medien wie der Taz aufgegriffen wurde, zu solchen Durchsuchungsmaßnahmen gegen Radio Dreyeckland führte, macht auch den Verfasser der Meldung, RDL Redakteur Fabian Kienert, fassungslos. Er sprach die Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Beschlagnahmungen durch das Karlsruher Amtsgericht an, bei dem es in seinem Fall heißt: „Die Klärung der Frage, ob und inwieweit der Beschuldigte gegebenenfalls gemeinschaftlich mit weiteren Verantwortlichen an der Veröffentlichung mitgewirkt hat, ist zur Aufklärung der Straftat notwendig.“ „Dass es einen Verantwortlichen gibt, scheint der Staatsanwaltschaft nicht zu reichen, es geht ganz offensichtlich um Ausforschung.“ Im Amtsgerichtsbeschluss im Fall von RDL Geschäftsführer Andreas Reimann wird ausgeführt: „Die Datenträger des Beschuldigten, von denen ein Zugriff auf www.rdl.de aus möglich ist, sind als Beweismittel zur Führung des Tatnachweises von Bedeutung. Die gilt insbesondere auch zur Entlastung des Beschuldigten Reimann.“ Dass man eine Hausdurchsuchung, die bei allen Betroffenen Spuren hinterlässt, durchführt, angeblich um jemanden zu entlasten, ist absurd und völlig unverhältnismäßig.“
„Wir dachten, Deutschland ist ein Modell für Presse- und Meinungsfreiheit", erklärte Roubama Baba-Traoré von der RDL Our Voice Redaktion, die in der Pressekonferenz zahlreiche Beispiele von Kolleg:innen aufführte, die wegen Verfolgung aufgrund ihrer journalistischen Arbeit geflohen sind. Sie selber musste den Togo verlassen, da sie mehrmals körperlich angegriffen wurde, mutmaßlich im Zusammenhang mit ihrer Berichterstattung über Korruption. „Wir dachten Radio Dreyeckland sei ein sicherer Ort.“
Dass die strafrechtlichen Ermittlungen eigentlich nie hätten beginnen dürfen, weil sich das Indymedia.Linksunten Verbot auf eine nicht mehr existente Openposting-Plattform bezieht, machte der langjährige RDL Geschäftsführer Michael Menzel deutlich. „Ein Archiv ist ein Archiv und keine Fortführung einer verbotenen Vereinigung. Im Ermittlungsverfahren geht es nicht um die angebliche Feststellung des mit Kürzel ausgewiesenen Autors, sondern um eine Strukturausforschung eines im demokratischen Rechtsstaat zugelassenen Rundfunkveranstalters, der sich aktiv für eine konsequente Umsetzung der Menschen- und Bürgerrechte einsetzt. Das ist Gesinnungsstrafrecht.“
Radio Dreyeckland fordert weiterhin die sofortige Einstellung des Ermittlungsverfahrens und die Löschung der erhobenen Daten und wird die Pressefreiheit notfalls auch juristisch bis zum Bundesverfassungsgericht verteidigen.
Radio Dreyeckland, 07.02.2023