Ein Geschenk an uns alle

Ein Geschenk an uns alle


Ein Kommentar zum neuen KSC-Stadion von Fussballfan Sebastian Schäfer


 

Heiter und gelöst sahen sie aus auf ihrer gemeinsamen Pressekonferenz, wie alte Kumpel, die sich nach langer Zeit und so manchen zurückliegenden Meinungsverschiedenheiten mal wieder näher gekommen sind. Spätestens beim ersten Sektchen nach dem offiziellen Procedere waren sie selig. Everybodys Schmunzelhäschen Mentrup schaute beim Anstoßen seltsam entrückt drein, fast als ob er nach einer Marathonsitzung eine hartnäckige Verstopfung losgeworden wäre, und sogar dem Schwiegersöhnchen unter den Konturlosen, Ingo Wellenreuther, gelang so etwas wie ein echtes Lächeln. Was war passiert?

Am Freitag, den 18. November 2016 um 9 Uhr Ortszeit haben sich die Stadt Karlsruhe und der Karlsruher Sport Club nach jahrelangen, zähen Verhandlungen auf einen Vertrag zum Bau eines neuen Fussballstadions geeinigt. Seit Anbeginn der Menschheit, konnte man meinen, hatte es über den Bau Streit gegeben, Pläne wurden diskutiert und wieder verworfen, bereits gefasste Beschlüsse wurden immer wieder aufgehoben. Doch nun geschah der lang ersehnte Durchbruch.

Vieles wurde verklärt an diesem verregneten Freitag Mittag. Die potthässliche Kriegsschutt-Schüssel Wildparkstadion wurde als „altehrwürdig“ bezeichnet – wo doch jeder Fussballfan weiß, das am Wildparkstadion einzig der Weg zum Stadion über den Schlosspark ehrwürdig ist. Von einem „historischen Termin“, der „bundesweit Beachtung“ finden sollte, war die Rede. Bei allem Pathos wurden aber auch die kalten Fakten bestätigt.

Die neue, reine Fussballarena wird 35000 Zuschauer fassen und das alte Wildparkstadion ersetzen. Dieses wird ab Ende 2017 nach und nach abgerissen, in der Zeit des Neubaus  sollen im laufenden Spielbetrieb zu jeder Zeit 15000 Plätze garantiert werden. Damit es zu keinen Lizenzschwierigkeiten für den KSC in der Umbauphase kommt, reduziert die Stadt die bisherige Stadionmiete und stellt dem Verein „VIP-Zelte“ zur Verfügung. Letzteres wiederum beruhigt den Fachmann – es wäre den überaus wichtigen VIPs ja auch nicht zuzumuten, im Bauschutt neben all den anderen Zuschauern ihren Champagner zu schlürfen.

Zusätzlich wird das Clubareal durch Geländeankäufe vom Land sowie um ein Parkhaus erweitert, die Stadt Karlsruhe spendiert dazu eine moderne Anbindung an die Verkehrsinfrastruktur. Aprospos Spendabilität - die Kosten liegen bei insgesamt läppischen 113 Millionen Euro, von denen das Land Baden-Württemberg 11 Millionen Euro trägt; die Stadt trägt die Kosten für die Infrastrukturanpassungen in Höhe von 28 Millionen alleine, die reinen Baukosten für das Stadion betragen 74 Millionen Euro und werden durch die Stadt vorfinanziert. Der KSC darf über seine Pacht diese 74 Millionen abbezahlen, und zwar abhängig vom sportlichen Erfolg - verbleibt der KSC in Liga 2, werden 1,5 Millionen Euro pro Jahr fällig. Steigt der Verein in die Erste Liga auf, erhöht sich die Miete auf 3,5 Millionen Euro. Im Falle eines Abstiegs in die dritte Liga müsste der Club noch etwa 400.000-500.000 Euro berappen. In diesem höchst unwahrscheinlichen Fall – der KSC ist in den letzten zehn Jahren schließlich nur zwei mal (1x in die zweite, 1x in die dritte Liga) abgestiegen - wären die Baukosten nach nur 148 Spielzeiten wieder drin. Wer da nicht hüpft, der ist kein Badner, hey, hey! Zusätzlich trägt der KSC natürlich die laufenden Betriebskosten und muss erfolgsabhängige Sonderzahlungen leisten. Auch ein Vorkaufsrecht konnte sich der Sportverein im 113 Seiten starken Vertragswerk sichern. Der Baubeginn wurde auf Anfang 2018 angesetzt, fertig werden soll die Arena spätestens mit Beginn der Saison 2020/21.

So weit, so gut. Als Fussballfan freut man sich natürlich über ein geiles neues Stadion, soviel ist klar. Da passt es natürlich, dass KSC Präsident Ingo Wellenreuther hier bewusst keine „kleine Hundehütte“ bauen wollte, sondern eine Sport- und Eventstätte, die „den modernsten Standards entspricht“. Gemeint sind damit natürlich nicht nur ausreichend „Business Seats“ und „VIP-Logen“, damit das Kapital seinen Luxuskörper standesgemäß in wohliger Atmosphäre ins Stadion maneuvrieren und bei Cappuccino und Häppchen nicht etwa das Gemurkse auf dem Platz ertragen muss, sondern den erhofften Geldfluss zum KSC vorantreiben kann; nein, auch die normalen Fussballfans, pardon, „Kunden“, wie das ja seit einiger Zeit heißt, dürfen sich weiterhin auf etwa 10.000 Stehplätze freuen. Überdacht natürlich, soviel Zugeständnisse musste man bei dem knappen Bauetat dann doch machen. Also: Juhu! Zurecht erhofft sich Wellenreuther jetzt, wo der Bau eines neuen „Wahrzeichens der Stadt“ unter Dach und Fach gebracht wurde, nun selbstverständlich auch ein „Ende der Euphoriebremse“, schließlich sei der Neubau ja nicht nur „die Voraussetzung für den Bestand des Profifußballs in Karlsruhe“, nein, vielmehr handele es sich dabei um „ein Geschenk für alle Bürger“. Da heißt es natürlich Danke sagen.

Also dann: Danke für ein fantastisches neues Stadion, Danke für die bitter nötige neue U-Bahn, Danke für die fette Geburtstagsparty letztes Jahr, Danke für die Sanierung der Stadthalle, in der bestimmt tolle Veranstaltungen für alle Bürger stattfinden werden, herzlichen Dank, dieser Stadt muss es ja wirklich blendend gehen!

Wer soll sich in Zeiten des vor kurzem durchgewunkenen rigiden Sparkurses der Stadt denn nicht auch mal über das ein oder andere Geschenk freuen - vielleicht die Kulturschaffenden der Stadt, dieses seit Jahren verwöhnte, gepuderte Künstlerpack, das mit nur äußerst geringfügigen Kürzungen umgehen und eben auf das ein oder andere nachhaltige, gesellschaftsverändernde Projekt oder die ein oder andere halbe Stelle verzichten muss ? Oder die sozialen und caritativen Dienste, die in letzter Konsequenz in den nächsten Jahren Stellen streichen müssen? Vielleicht die paar Studierenden, für die der Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Karlsruhe akut existenzgefährdend ist? Die Antwort darauf bleibt Wellenreuthers Geheimnis, übrigens genauso wie die erhoffte Verdoppelung der Zuschauerzahlen - der aktuelle Zuschauerschnitt des KSC liegt bei 17000.

Man muss das Ganze vielleicht auch stur positiv sehen. So wie unser Oberbürgermeister. Dem ist nämlich ein „ganzes Felsengebirge“ vom Herzen gefallen, in seiner unendlichen Erleichterung noch hinzufügend, dass es „einfach total blöd gewesen wäre, wenn das gestern Mittag noch geplatzt wäre“. Verständlich, was hat er sich jahrelang abgerackert mit dieser Altlast, was ist „an anderer Stelle auch Arbeit liegengeblieben“, um endlich dieses Kind zu gebären. Wie in jeder Schwangerschaft war schließlich auch die Causa KSC-Stadion ein „für alle Seiten belastender Prozess, in dem immer wieder zahlreiche Ausstiegsszenarien auftauchten“. Ein wahres Horrorszenario, das auch die Alkis vom Werderplatz, denen die ein andere andere Sozialarbeiterstunde weniger über kurz oder lang schon nichts ausmachen wird, keine Nacht mehr ruhig durchsaufen, äh, durchschlafen lassen könnte.

Nun aber können die Karlsruher Bürgerinnen und Bürger jetzt „gottfroh“ sein, dass das alles noch hingehauen hat. Diejenigen unter ihnen, die durch die Kürzungen bald ohnehin mehr Zeit haben, können ab 2020 ja auch einfach mal das neue Wahrzeichen der Stadt besuchen, wenigstens von außen. Oder sich schon mal einen Wunschzettel für die nächsten Geschenke von der Stadt machen. Wie wäre es denn mal mit einer richtigen, großen Pyramide?


 


 


 

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