SENDESTART! – Unser Countdown auf Juni 1995

Am Anfang stand da mal die gute Idee, dem kommerziellen und stromlinienförmigen, vor allem aber langweiligen und hirnerweichenden Rundfunk etwas gänzlich anderes entgegenzusetzen. Nicht anbei zu stellen, sondern entgegenzusetzen. Wir wollten (dies ein weitverbreitetes Mißverständnis) keine Ergänzung zum bestehenden Dudelfunk sein, sondern das dezidierte Gegenprogramm. Es ging nicht bloß um die Erhöhung von Sichtbarkeit – bzw. in unserem Falle: Hörbarkeit – irgendwelcher Leute, wie heute so oft.

Phase 1:
Eine Gesetzesnovelle in Baden-Württemberg sieht erstmalig nichtkommerziellen Rundfunk vor. Eine Handvoll Leute, die die Schnauze voll haben vom Formatradio, tun sich 1993 zusammen und suchen per Aushang und Handzetteln Gleichgesinnte. Patente Paten vom ehemaligen Piratensender Radio Dreyeckland (RDL) aus Freiburg geben Tips zu Organisation, Aufbau und behördlichem Ungemach.

Phase 2:
Man trifft sich, anfangs sporadisch und schon bald regelmäßig, und diskutiert abende- und nächtelang, was wir eigentlich wollen. Da sind kulturell, insbesondere subkulturell Interessierte, politisch Ambitionierte, hochmotivierte Musikfreaks jedweder Couleur. Schnell wird klar, daß das ein tolles Ding werden wird. Man gründet einen Förderverein, ohne den nichts gehen wird; schließlich will man sich weder von Werbung noch von sonstigen Gönnern, Sponsoren und Spinnern abhängig machen.

Phase 3:
Nachdem die Treffen ein Jahr lang in den Hinterzimmern von Schankwirtschaften stattfinden mußten, mieten wir Räumlichkeiten in der Innenstadt an, die wir als Büro und Treffpunkt nutzen wollen. Hier steht auch die erste Technik: CD- und Plattenspieler, ein Mischpult, Mikrofone, an der wir manch erste Moderation ausprobieren.

Phase 4:
Wir brauchen ein Sendestudio, wenn wir wirklich senden wollen. Nachdem kurz erwogen wurde, im Kulturzentrum Tempel Büro und Studio einzurichten, entscheiden wir uns für das alternative Zentrum Gewerbehof, der viel zentraler liegt. Fleißige Hände helfen hier, das Radioprojekt auf die Beine zu stellen, denn nicht nur die redaktionelle und Organisationsstruktur ist basisdemokratisch, auch alle anderen, insbesondere baulichen und technischen Aspekte laufen selbstverwaltet.

Phase 5:
Alle technischen und personellen, rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen stehen, wir sind betriebsbereit, die Motivation ist am Anschlag. Generalprobe: Rund einen Monat vor dem großen Termin proben wir quasi inkognito, also bewußt ohne öffentliche Ankündigung, einen regulären Sendebetrieb – mit einem stundenplan-artigen Programmschema, das wir zunächst eine Woche lang pannenfrei realisieren wollen. Wir schauen also, ob wir so eine Routine „in Echtzeit“ verläßlich hinbekommen – oder ob in dieser Simulation noch unerwartete Schwierigkeiten auftauchen.
 

Die Luft flirrt, es ist wie bei einem Raketenstart-Countdown. „Experten streiten sich um ein paar Daten; die Crew hat da noch ein paar Fragen; Effektivität bestimmt das Handeln; man verläßt sich blind auf den andern.“ (Peter Schilling)
Und schließlich ist es so weit: Am Samstag, dem 17. Juni 1995, gehen wir eines schönen Sommertages mit einer großen Party auf Sendung. Querfunk hat abgehoben. Und sendet. Jeden Tag. Bis heute.