Neue Runde im Spiel Wer ist der vaterlandslose Geselle?

Ein Kommentar der Redaktion SACHZWANG FM

Nachdem schon vor Jahren publik geworden ist, daß die russische Regierung Rechtspopulisten in Europa päppelt, geht das Geunke um die Frage "Wer ist der vaterlandslose Geselle?" in die nächste Runde. Ex-Trump-Berater und Rechtsextremist Stephen Bannon, seines Zeichens verhinderter Propagandaminister, hat offen angekündigt, Einfluß auf Wahlen in Europa nehmen zu wollen; und natürlich ist es kein Geheimnis, daß auch er rechte, zentrifugale Kräfte nähren möchte.

Ach, waren das noch schöne Zeiten, als man sich darauf verlassen konnte, daß es die Humanisten sind, die Linken, die sich - mit dem "Rückenwind der Geschichte" - international und transnational zusammenschließen und ihre Aktionen abstimmen. Die Rechten, die Ewiggestrigen, darauf konnte man vertrauen, würden nicht nur ihre politischen Kontrahenten bekämpfen, sondern natürlich auch mit ihresgleichen, den Reaktionären anderer Länder, in einem Konkurrenzverhältnis stehen - auf so viel Borniertheit war Verlaß.
Doch leider haben sie dazugelernt ... Denn nun dies: Linken Kräften in aller Welt schwimmen die Felle davon, die Rechten mausern sich - und bilden längst transnationale Allianzen. Und das ist natürlich auch zweckrational: Die Vereinigten Staaten und Rußland haben - als krisengeschüttelte Großmächte - ein vitales Interesse daran, die Europäische Union scheitern zu sehen, und somit einen weltpolitischen Konkurrenten weniger zu haben.²

Das überaus Pikante an der grotesken Situation ist aber doch: Ausgerechnet jene, denen "deutsch" und "Deutschland" gar nicht oft genug über die Lippen kommen kann, sehen sich nun wohlwollender Patenschaft und potenter Förderung aus "dem Ausland" ausgesetzt. Und die christ- und sozialdemokratische Mitte, stets der Nation verpflichtet, hätte allen Grund, den erstarkenden Rechtspopulisten hinterherzurufen, sie seien Vasallen konkurrierender Großmächte, also gewissermaßen "vaterlandslose Gesellen".³ Eine Retourkutsche, war der dämliche Vorwurf doch in der Kaiserzeit en vogue, um die erstarkende Sozialdemokratie zu diskreditieren und die Schäfchen wieder in die Arme von Kirche und Staat zu treiben.
Für denkende Linke hingegen war es immer nur eine Frage der Zeit, wie lange es dauern würde, bis auch die Rechte - in einem Akt gradueller Selbstaufklärung - merken würde, daß für die Durchsetzung gesellschaftspolitischer Ziele Ländergrenzen bedeutungslos sind.

Die fortlaufende Berichterstattung über die Frage Wer beeinflußt wen?, Wer versucht, welches Wahlergebnis zu manipulieren?, mündet in allgemeiner Paranoia darüber, daß ausländische, ja feindliche Mächte Einfluß auf "unsere" Demokratie nehmen könnten. Dabei gehören zum demokratischen Wahldebakel, zum Triumph der rechtspopulistischen Dummheit, des grassierenden Ressentiments ja immerhin zwei: einer, der die unappetitlichen Inhalte anpreist - und einer, bei dem sie verfangen; der sie schluckt. Das ist gewissermaßen (oder könnte sein) die aufklärerische Grenze allen Räsonierens über "Manipulation" und "fake news". Wären die Menschen nur immun gegen Hetze und rechte Panikmache, vertrauten sie ein für allemal auf ihren eigenen Verstand, so wäre der Aufklärung schon eine Bresche geschlagen. Doch davon sind wir weit entfernt.

 

 

²) Mit genau derselben Logik hat man doch auch hier - sei es Pressearbeit, sei es geheimdienstliche Wühlarbeit - versucht, zentrifugale Kräfte, sprich Separatisten zu stärken in mächtigen Verbünden wie der ehemaligen UdSSR ("Vielvölkergefängnis") oder China (das edle "Volk der Uiguren") oder auch nur Jugoslawien, das sich vor 25 Jahren bekanntlich in kleingeistiger Kleinstaatlerei zerlegt hat.

³) Die Berichterstattung darüber, daß die AfD von Rußland und USA profitiere, trägt bereits derart nationalistische Züge. Ein weiteres untrügliches Indiz dafür, daß die Zeiten vorbei sind, als die Welt noch holzschnittartig in Gut und Böse aufzuteilen war.

 

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